Architektur: Ein grauer Kubus lässt die Landschaft leuchten
Zurückhaltend in der Form, raffiniert im Detail zeigt sich dieses Einfamilienhaus in der Nähe von Stuttgart
Als die Bauherren auf das Architekturbüro fmb architekten zukamen, stand ihr Budget schon fest – und für ein freistehendes Einfamilienhaus war es vergleichsweise gering. Die Architekten nahmen die Herausforderung an und planten ein schnörkelloses, minimalistisches Haus, das sich mit seiner klaren Kubatur zurücknimmt: Im Mittelpunkt steht die Natur.
Das Gebäude ist nach Nordosten mit Blick auf das benachbarte Landschaftsschutzgebiet ausgerichtet. „Das Haus treppt sich zur Landschaft ab“, beschreibt Mayer. „Die Landschaft steht im Mittelpunkt.“
Vor Baubeginn erstellte ein Energieberater eine energetische Gebäudesimulation. Die Lage auf dem Grundstück mit der Landschaft in Richtung Nordosten ermöglichte den Verzicht auf einen außen liegenden Sonnenschutz. Als Baumaterial wählte der Architekt 36,5 Zentimeter breite, wärmedämmende Hochlochziegel. Die Wände sind innen und außen nur verputzt, nicht zusätzlich gedämmt. Der graugrüne Farbton der Fassade nimmt die Sonneneinstrahlung auf, deren Wärme über die Ziegel ins Hausinnere geleitet wird. Die Innenwände sind vorwiegend in Trockenbauweise ausgeführt.
Mehr Ideen für moderne graue Häuser
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Die Fassade des monolithischen Blocks wird nur durch die Eingangstür unterbrochen. Sie ist innenbündig gesetzt: Der Eingang soll Geborgenheit vermitteln, der Mauervorsprung umfängt die Eintretenden, und das Eichenholz strahlt Wärme aus. Im Türsturz ist eine Leuchte untergebracht, die den Eingang unauffällig erhellt, ohne die Optik der Fassade zu stören.
Die 2,26 Meter hohen Fenster dagegen sitzen bündig zur Fassade. Sie sind so verteilt, dass jeder Raum von zwei Seiten Tageslicht bekommt. Da großflächige Fenster aus Energie- und Kostengründen nicht in Frage kamen, hat Mayer ein ideales Verhältnis zwischen Wand- und Fensterflächen ermittelt. Nach Nord- und Südosten sind die Fenstertüren 101 Zentimeter breit, nach Süd- und Nordwesten 51 Zentimeter. Nur die fünf nach Südwesten ausgerichteten Fenstertüren sind mit Sonnenschutzglas gefertigt. Für alle anderen reichten einfache Isolierglasscheiben. Rollläden oder anderer Sonnenschutz ist nicht notwendig.
Die Fenstertüren öffnen sich nach außen und stehen so in den Innenräumen nicht im Weg. Die schmale Variante im Obergeschoss geht allerdings nur etwa zehn Zentimeter weit auf. „Das ist eine Art Kindersicherung, und eine Absturzsicherung brauchen wir so auch nicht. Zum Lüften reicht es allemal“, sagt der Architekt.
Die schmalen Fensterrahmen lassen das Haus größer wirken. Überhaupt arbeitet das Architekturbüro gerne mit optischen Tricks. Die dachabdeckenden Bleche sind nur dreieinhalb Zentimeter hoch: „Das wirkt eleganter, ist aber auch aufwendiger“, erklärt Mayer.
Der quadratische Grundriss mit 9,47 Meter Seitenlänge hatte sich aus dem Mauerwerksmaß ergeben. Kein Stein musste geschnitten werden. „Mit diesem kleinen Grundriss haben wir auch nur einen kleinen Fußabdruck und dafür einen größeren Garten“, so Mayer.
Allerdings war es so erforderlich, mit den 140 Quadratmetern Wohnfläche klug umzugehen. Flur und Treppe nehmen daher gerade einmal fünf Quadratmeter ein. Zudem hat Mayer auf eine großzügige Deckenhöhe gesetzt. „Bei wenig Grundfläche ist es gut, den Raum in allen Dimensionen zu nutzen und auch in die Höhe zu gehen. Im Erdgeschoss haben wir eine Raumhöhe von 2,57 Metern, im Obergeschoss sind es sogar 2,65 Meter.“
Im Erdgeschoss, wo sich der Hauptteil des Familienlebens abspielt, gibt es einen Hauswirtschafts- und einen Technikraum, eine Gästetoilette mit Dusche sowie ein Zimmer, das unterschiedlich genutzt werden kann: für Gäste, zum Arbeiten oder als Abstellraum. „Der Gästebereich ist altersgerecht gebaut. Hier wohnen häufiger die Eltern der Bauherrin“, erklärt Mayer.
Mehr über altersgerechtes Bauen und Einrichten
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Im offenen Wohnbereich reihen sich vom Küchenbereich über den Essplatz bis zur Sofaecke an der Längsseite drei Fenstertüren auf. Wer daran vorbeigeht, hat eher den Eindruck, an einer großen Fensterfläche entlangzuschreiten. Tageslicht fällt außerdem durch zwei weitere Fenstertüren an der Schmalseite des Wohnbereichs.
In den Fensterstürzen sind, ähnlich wie bei der Eingangstür, Linestra-Stableuchten eingebaut. Sie werden vorzugsweise in Bädern verwendet, doch auch hier spielen sie ihre Vorteile aus. Denn zum einen kommt das Licht auf diese Weise auch bei Nacht aus der gewohnten Richtung (vom Fenster), zum anderen scheint es bis in den Garten und macht so eine zusätzliche Außenbeleuchtung überflüssig.
Für die Glühlampen, die in die Sichtbetondecke eingelassen wurden, musste Mayer die Anschlüsse sorgfältig planen. Die Betondecke wurde vor Ort gegossen und die Schalung so gelegt, dass ein lineares Muster entstand. „Mit Fertigteilen zu arbeiten war konstruktiv nicht möglich. Zudem war es kostengünstiger, den Beton vor Ort zu gießen“, erläutert der Architekt. Der rohe Sichtbeton steht in schönem Kontrast zu dem warmen Eichenholzparkett, das im ganzen Haus verlegt ist.
Die Treppe setzt sich dagegen aus zwei Fertigteilen zusammen. Sie führt ins Obergeschoss, das es nach dem örtlichen Bebauungsplan beinahe gar nicht gegeben hätte. „Für das Baugebiet war eine eingeschossige Bauweise vorgesehen. Das heißt, dass nur etwa drei Viertel der Grundfläche als Dachgeschoss erlaubt war. Wir haben also ein Viertel als Dachterrasse vorgesehen und konnten so auf der restlichen Fläche die Schlafräume und das Bad unterbringen“, erklärt Mayer. Üblicherweise wird zur Grundfläche auch die Garage gerechnet, die allerdings erst später, in einem zweiten Bauabschnitt, entstand.
Für das Haus erwies sich diese Planung als Glücksfall, denn die Dachterrasse ist weit mehr als eine baurechtliche Verlegenheitslösung. Beide Kinderzimmer haben einen direkten Zugang zu der Außenfläche. Eine weitere Fenstertür führt vom Treppenraum hinaus. Daneben gibt es noch ein fest stehendes Fenster.
Der Blick in die Landschaft ist von hier oben gleich noch einmal so eindrucksvoll. Hier zeigt sich auch, dass der graue Fassadenanstrich eine gute Wahl war: Selbst bei direkter Sonneneinstrahlung entsteht kein Blendeffekt, weil die Wände das Licht nicht reflektieren.
Im Obergeschoss sind nur das Treppenhaus und das Bad klar abgegrenzte Räume, wie Mayer betont.
Die restliche Wohnfläche ist fast wie ein zusammenhängender Raum und wird nur durch deckenhohe Türen gegliedert.
„Wir haben vier Eichenholztüren mit Oberlichtern vom Schreiner fertigen lassen. Sie dienen eher als Raumteiler denn als Türen. Meist stehen sie ohnehin offen“, erzählt der Architekt. Die übrigen Türen im Gebäude (zum Gästezimmer, zur Gästetoilette, zum Hauswirtschafts- und Technikraum sowie zum Bad im Obergeschoss) sind als Tapetentüren wandbündig in Weiß gefertigt.
„Wir haben vier Eichenholztüren mit Oberlichtern vom Schreiner fertigen lassen. Sie dienen eher als Raumteiler denn als Türen. Meist stehen sie ohnehin offen“, erzählt der Architekt. Die übrigen Türen im Gebäude (zum Gästezimmer, zur Gästetoilette, zum Hauswirtschafts- und Technikraum sowie zum Bad im Obergeschoss) sind als Tapetentüren wandbündig in Weiß gefertigt.
Mayer hatte den Auftrag unter der Bedingung angenommen, dass Garage und Außenanlagen sowie die Einbauten nicht auch noch in dem knappen Budget enthalten sein würden. Letztlich konnten die Bauherren dafür aber doch noch Geld aufbringen. „Wir bauen nicht gerne einen leeren Körper, in den die Bauherren dann hilflos und ungeordnet Möbel stellen, die sie ohnehin brauchen“, betont Mayer. „Möbel können raumbildend sein, sie sind nicht austauschbar. Deshalb sollten sie gleich mitgeplant werden.“
Die hohen Decken nutzte der Architekt in den Kinderzimmern für Stockbetten. So können die Kinder auf einer kleinen Fläche spielen, schlafen und ihre Schularbeiten machen.
Die hohen Decken nutzte der Architekt in den Kinderzimmern für Stockbetten. So können die Kinder auf einer kleinen Fläche spielen, schlafen und ihre Schularbeiten machen.
Auch im Elternschlafzimmer nutzte Mayer die Raumhöhe: Er ließ einen deckenhohen Schrank einbauen. Die oberen Fächer lassen sich wie Schubfächer ausziehen, haben aber nur auf zwei Seiten Wände. So sind auch die ganz oben verstauten Dinge noch gut erreichbar.
Die deckenhohen Einbauschränke und die Küchenmöbel ließ der Architekt von demselben Schreiner fertigen, von dem auch die Türen im Haus stammen. Die Oberflächen sind weiß, hochglänzend lackiert. „Wir wollten einen Kontrast zu den mattweiß verputzten Wänden. Ein schöner Effekt ergibt sich auch, wenn das Licht der Deckenleuchten sich in den Fronten spiegelt“, so Mayer. In der Küche erwies sich die Maßanfertigung als besonders vorteilhaft, denn die Bewohner sind recht groß – mit einer Arbeitsfläche in normaler Höhe wären sie nicht so gut zurechtgekommen.
Auch im Wohnzimmer gibt es Stauraum bis unter die Decke.
Mit der nachgeschobenen Finanzierung der Bauherren ließ sich noch die Garage und ein Anbau für die Mülltonnen errichten. Hier kam auch der Wärmetauscher für die Luft-Wasser-Wärmepumpe optisch unauffällig unter.
Dank des zusätzlichen Budgets konnte auch der Garten noch gestaltet werden. Die Bauherren verzichteten bewusst auf Zäune oder Hecken, um den Blick frei zu halten und das Haus noch stärker in die Natur zu integrieren.
Hier wohnt: eine Familie mit zwei Kindern
Auf: rund 140 Quadratmetern
In: Merklingen, einem Stadtteil von Weil der Stadt
Budget: 300.000 Euro (plus 85.000 Euro für Außenanlagen und Möbel)
Experten: Norman Binder und Andreas-Thomas Mayer von fmb architekten
Mit einem Budget von nur 300.000 Euro ein Einfamilienhaus zu bauen, ist im Großraum Stuttgart ein gewagtes Unterfangen. Die Architekten setzten auf Minimalismus. Die Planung war allerdings recht aufwendig. „Wir mussten die Ressourcen möglichst sinnvoll einsetzen. Wir haben die Kosten von Material und Ausführung immer genau geprüft und dabei auch auf Nachhaltigkeit geachtet“, erläutert Architekt Andreas-Thomas Mayer.