Architektur: Massivholzanbau für ein Augsburger Siedlungshaus
Ganz in Holz: Dieser Anbau spiegelt die Form des Hauses wider – und sorgt durch Holz für ganz neue Raumqualitäten
Das spitzgiebelige Siedlungshaus von 1957 gefiel den Bauherren sofort. Doch die Wohnfläche und die Raumaufteilung entsprachen nicht den Bedürfnissen der vierköpfigen Familie. Ein Anbau und eine neue Struktur des Wohnraums im Altbau sollten Abhilfe schaffen. Zudem sollte möglichst ökologisch gebaut werden. Die Bauherren wünschten sich viel Holz. Das Architekturbüro PitLibermann setzte die Wünsche um: Es definierte den Wohnraum im Altbau neu, versetzte einige Wände und erweiterte das Gebäude mit einem Anbau aus Massivholz. Der nimmt die Form des Altbaus auf und steht wie dessen ideales Abbild daneben – schnörkellos, in Reinform.
Der Anbau wirkt von ferne wie aus einem Stück Holz geschnitzt. Aus der Nähe sind die zweieinhalb Zentimeter breiten Lärchenholzlatten zu erkennen, die Dach und Fassade verkleiden. Sie sind wie ein enger Lattenzaun mit Zwischenräumen angebracht. Zum Haus haben sie rund sieben Zentimeter Abstand. So ist die Fassade ausreichend hinterlüftet und kann es mit der Witterung aufnehmen.
Regenwasser sammelt sich an der Traufe in einer kupfernen Regenrinne, die hinter der Lattung liegt. Eine wasserabweisende Dachfolie und die diffusionsoffenen Wandschalungsbahnen schützen die Holzfaserdämmplatten des Massivholzbaus.
Der Anbau ist nicht unterkellert. Er steht auf einer Bodenplatte mit Streifenfundamenten. Da das Grundstück zum Garten hin leicht ansteigt, führen drei Stufen zur Fenstertür hinauf, während es zum Garten ebenerdig hinausgeht.
Zur Straße hin hat der Anbau im Dach keine Fenster. Auf der Gartenseite dagegen haben die Architekten zwei Dachflächenfenster eingefügt. Eines davon sitzt sehr weit oben, denn das Dachgeschoss ist bis unter den First offen.
Auch im Bestandsgebäude wurden im Zuge des Umbaus Dachfenster eingebaut.
Auch im Bestandsgebäude wurden im Zuge des Umbaus Dachfenster eingebaut.
Große Fenster und Fenstertüren lassen viel Licht in das Erdgeschoss des Anbaus, das als Büro und Bibliothek genutzt wird.
Die Erweiterung des Hauses ist in Tafelbauweise entstanden – zwischen 93 und 142 Millimeter starke Massivholzplatten. Sie bestehen aus kreuzweise verleimten Fichtenlamellen, „Leno-Brettsperrholz“ von Züblin. Die Platten werden so verarbeitet, dass sie in ihren Abmessungen stabil bleiben und sich auch später so gut wie gar nicht verformen. Die bereits mit Ausschnitten für Fenster und Türen auf die Baustelle gelieferten Fertigteile wurden vor Ort von den Mitarbeitern des Zimmereibetriebs Christian Dörschug zusammengebaut. Die Zimmerleute haben auch die wasserabweisende Schicht und die Lärchenholzfassade montiert. „Innen ist der Rohbau aus unbehandelten Vollholz zu sehen“, sagt Pittroff. Nur die Wand zum Bestandsgebäude ließen die Architekten verputzen.
Architektur: Modernes Bauen mit Holz
Architektur: Modernes Bauen mit Holz
In dieser Wand befindet sich eine breite Schiebetür, die in das Wohn- und Esszimmer führt. Der nahtlos verlegte, weiß geölte Eichendielenboden verbindet die beiden Gebäudeteile. Er findet sich im ganzen Haus wieder, lediglich in der Küche und den Bädern sind Fliesen verlegt.
Das Esszimmer liegt im Altbau. In diesem Raum haben die Architekten ein kleines, dreiflügeliges Fenster durch eine fast drei Meter breite Terrassenschiebetür ersetzt. Nun kommt auf der Gartenseite mehr Licht in den Raum. „Wir haben die Kleinteiligkeit aufgehoben und über zusätzliche und größere Fenster mehr Licht ins Innere geholt“, so der Architekt.
Der Kachelofen im Wohn-Essbereich wird klassisch mit Holz befeuert und ist darüberhinaus mit einer Wassertasche versehen. So sorgt er gemeinsam mit den Sonnenkollektoren auf dem Dach und der Pelletheizung im Keller für Wärme und warmes Wasser im ganzen Haus. „Der Kachelofen ist mit großformatigen Kacheln verkleidet. Die kleinen Nischen vergrößern die Abstrahlwärme. Dort können auch mit Wasser gefüllte Gefäße hineingestellt werden, um die Luft zu befeuchten. So gibt es ein gutes Klima im Haus“, erklärt der Architekt. In Bad und Küche, wo Fliesen verlegt sind, gibt es Fußbodenheizung.
VORHER: Wo sich früher ein dreiflügeliges Fenster zum Garten befand, öffnet sich heute eine Terrassentür. Hier ist das Dach noch fensterlos …
… Doch auch der Altbau wurde energetisch erneuert und sein Dach partiell renoviert. Die Sonnenkollektoren auf der Gartenseite sind ebenso neu wie die Dachflächenfenster.
Die neue Küche befindet sich im Erdgeschoss des Altbaus. Sie ist ein Entwurf der Architekten, mit Fronten und einem Wandboard aus Kirsche. „Die Bauherren wünschten sich mehr Platz in der Küche. Daher haben wir drei Räume zusammengelegt“, erzählt Pittroff.
Das Dachgeschoss des Erweiterungsbaus ist bis in den Firstbereich offen. Tageslicht fällt durch zwei Dachfenster. Eines liegt knapp unterhalb des Firstes, das andere leicht über der Traufe, so dass es den Blick in den Garten freigibt.
Auch an der Giebelseite gibt es ein großes Fenster. Mit ihrer Holzsichtigkeit erzeugt die neue Architektur ganz von selbst eine angenehme Atmosphäre.
Die Bäder sind so zwischen den Gebäudeteilen platziert, dass sie von beiden Seiten aus genutzt werden können. „Wir haben Wände versetzt und das Haus insgesamt geöffnet“, so Pittroff. „Zudem haben wir für die Zukunft geplant. Die beiden Haushälften können bei Bedarf getrennt werden. Was derzeit der separate Eingang zum Büro ist, wäre dann ein eigener Hauseingang.“
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Hier wohnt: eine Familie mit zwei Kindern
Auf: rund 200 Quadratmetern
In: Neusäß bei Augsburg
Material: Massivholzplatten, Eichendielen, Kalkputz
Experten: PitLibermann
Fotos: PitLibermann
„Wir haben das Bestandsgebäude formalistisch nachgezeichnet. Das geht am Besten mit einem Materialwechsel“, erläutert der Architekt Jakob Pittroff, der mit Eike Großmann und Alexandre Liberato das Architekturbüro PitLibermann leitet. Die Bauherren hatten sich ohnehin einen Anbau aus Holz gewünscht. Weil ökologisches Bauen eine der Anforderungen war, lag es nahe, viel Holz im Neubau und Kalkputz für die neu verputzten Wände des Altbaus zu verwenden.