Vorher-Nachher: Berliner 24qm-Mikroapartment mit Liebe zum Detail
Hochwertige Materialien und ein großes Atelierfenster: Wie Luxus auf kleinstem Raum geht, macht diese Mini-Wohnung vor
Ein kluger Mann namens Walter Gropius hat einmal gesagt, man solle Räume getrost verkleinern und dafür ihre Fenster vergrößern. Dieses Postulat ging Bettina Schneuer bei der Renovierung zweier Mikroapartments in Berlin Charlottenburg immer wieder durch den Kopf. Ein Projekt, bei dem sie als Bauherrin und Interior-Designerin in Personalunion auftrat und im besten Sinne nach dem Lustprinzip handelte: „Ich habe bisher immer gekauft, was mir gefiel, nie aus strategischen Überlegungen, sondern immer aus Zuneigung.“ Zuneigung zur gründerzeitlichen Architektur, zu klassischen Materialien und modernen Einbauten, die für besagte Apartments zu hochmodernen, weil platzsparenden, Lösungen auf sensationellen 24 Quadratmetern führten.
Nach der Journalistenschule folgten zwei Jahre Spiegel-TV, 14 Jahre Stern und schließlich drei Jahre als freie Co-Textchefin des Architektur- und Interiormagazins AD Architectural Digest, bevor deren Redaktion von Berlin zurück nach München zog. Doch Bettina Schneuers erstes Interior-Aha-Erlebnis liegt viel weiter zurück und datiert auf das Jahr 1999, als sie von Hamburg nach Berlin kam und ihre damalige Vermieterin, die Architektin Caroline Raspé, sie mit in die eigene, modernisierte Gründerzeitwohnung nahm. Mit geöffneten Wänden, neuen Bädern und weiter Wohnküche. „Kann ich bitte diese Wohnung haben, habe ich damals gedacht.“
Im Bild: In Charlottenburg, wo sich die beiden Mikroapartments befinden (Bilder zum zweiten Apartment finden Sie im Link am Ende), wurde auch der Eingang generalrenoviert. „Der Stucco lustro war zuvor orange überstrichen. Wir dachten, schauen wir doch mal, was drunter ist.“ Die Renovierung der Gemeinschaftsbereiche, Eingänge und Flure übernahm ein befreundetes Künstlerpaar, das damals eine Wohnung und einen Laden im Haus besaß. „Claus und Susanne Rottenbacher haben das gesteuert und sehr viel Engagement ins Haus gesteckt, zum Beispiel auch in den Hofgarten. Großartig – und leider selten in Eigentümergemeinschaften“, sagt Schneuer.
Im Bild: In Charlottenburg, wo sich die beiden Mikroapartments befinden (Bilder zum zweiten Apartment finden Sie im Link am Ende), wurde auch der Eingang generalrenoviert. „Der Stucco lustro war zuvor orange überstrichen. Wir dachten, schauen wir doch mal, was drunter ist.“ Die Renovierung der Gemeinschaftsbereiche, Eingänge und Flure übernahm ein befreundetes Künstlerpaar, das damals eine Wohnung und einen Laden im Haus besaß. „Claus und Susanne Rottenbacher haben das gesteuert und sehr viel Engagement ins Haus gesteckt, zum Beispiel auch in den Hofgarten. Großartig – und leider selten in Eigentümergemeinschaften“, sagt Schneuer.
Eine Wohnung im Westend, für ihren Mann, sich und die beiden Söhne, wurde zum ersten Interior-Projekt à la Schneuer. Heute führt ihre Freundin, die Professorin Almut Grüntuch-Ernst, gerne Studentengruppen mit Überziehern an den Füßen hindurch. „Almut findet, unsere Wohnung sei ein gutes Beispiel dafür, wie man eine großherrschaftliche Gründerzeitwohnung mit Bedienstetenzimmern für eine Familie mit zwei Kindern und Au-Pair umbauen kann.“
Im Bild: Nach dem Kauf ist vor der Arbeit. Ein Blick vom Zwergapartment in den Hausflur zeigt den Zustand der Räume nach der Entkernung. Wegen eines Wasserschadens mussten auch die alten Dielen dran glauben.
Im Bild: Nach dem Kauf ist vor der Arbeit. Ein Blick vom Zwergapartment in den Hausflur zeigt den Zustand der Räume nach der Entkernung. Wegen eines Wasserschadens mussten auch die alten Dielen dran glauben.
Bevor sie letztes Jahr die Renovierungen der beiden Charlottenburger Miniwohnungen in Angriff nahm, hat Bettina Schneuer schon fünf andere Objekte saniert, darunter eine in der Kreuzberger Bergmannstraße. „Da war schon alles dabei. Schwamm, Ratten in der Zwischendecke, der Geruch von fünf Hunden, alles. Im Prinzip habe ich immer reizende Ruinen an schönen Plätzen gekauft. Und die werden dann so saniert, wie ich es schön finde.“ Das Kapital dafür stammte aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung in Hamburg, die Schneuer an ihre langjährigen Mieter abtrat. „Ich habe mir mit 29 einen Riesenkredit ans Bein gebunden. Das würde ich heute so nicht mehr machen, aber natürlich war es rückblickend eine lohnende Investition.“
In ihren Ruinen-Rettungsprojekten, bei denen es sich weniger um Renovierungen als um waschechte Sanierungen handelt, arbeitete Schneuer immer wieder gerne mit Caroline Raspé zusammen, jener ehemaligen Vermieterin, die ihr über Gestaltungsmöglichkeiten in Architekturfragen die Augen geöffnet hatte. „Zuerst waren wir Vermieterin und Mieterin, dann Bauherrin und Architektin. Und all das hat unsere Freundschaft mitgemacht.“
Im Bild: 24 optimal ausgenutzte Quadratmeter verteilen sich heute über drei Bereiche, samt Küchenzeile, Einbauschränken und Walk-In-Dusche.
Im Bild: 24 optimal ausgenutzte Quadratmeter verteilen sich heute über drei Bereiche, samt Küchenzeile, Einbauschränken und Walk-In-Dusche.
Schneuers Miniapartments befinden sich im Hinterhaus, direkt übereinander im Erdgeschoss und im ersten Stock. Die Einheit darüber kaufte der Vater vom besten Freund ihres jüngeren Sohnes. In der einstigen Gemeinschaftstoilette des Erdgeschossflures (rechts im Bild) hat Schneuer auf „heißen 1,5 Quadratmetern“ eine Waschküche mit Waschtrockner-Toplader für alle drei Mietparteien untergebracht. „Da hier jeder Zentimeter zählt, sind solche gemeinschaftlich genutzten Räume wirklich praktisch.“ Zwischen erstem und zweitem Obergeschoss wurde die Toilette zur Putzkammer mit Staubsauger, Bügelbrett und Spezial-Kochgeräten wie Backformen, Smoothie-Mixer, Fondue und auf halber Treppe darüber ist Platz für Koffer. „Alle Kammern bekamen neue Fensterchen und neuen schwarzen Fliesenboden.“
Was die Wohnungen selbst betrifft, gefiel Schneuer deren wohlproportionierte Kompaktheit sofort: „Ich mag kleine Zimmer. Das Tiny House Movement fasziniert mich und ich bin sicher, dass Wohnen auf wenig Raum in Zukunft eine immer größere Rolle in Metropolen spielen wird, mit vielen spannenden Ideen wie Share Rooms zum Beispiel. Beim Umbau musste ich immer wieder an Gropius Worte denken, die er bei der Werkbund-Ausstellung zum Thema ‚Minimalwohnungen‘ 1929 gesagt hat: ‚Vergrößert die Fenster, verkleinert die Räume‘.“ Und ein großes Fenster gibt es hier allemal – aber dazu später mehr.
„Je kleiner die Bude, umso länger muss man vorher denken“, so Schneuer. „Das erste Zimmer leistet triple duty als Küche, Eingang, Garderobe.“ Die Wand zum Wohnraum ließ die Designerin acht Zentimeter nach innen versetzen, um drei 60 Zentimeter breite Küchenschrankeinheiten unterbringen zu können. Neues massives Eichenparkett ersetzt die vom Wasserschaden zerstörten Dielen. „Auf der kleinen Fläche musste es etwas besonders Hochwertiges sein.“
Weitere Inspirationen zu kleinen Küchen
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Monochrom gestaltet, entsteht trotz absoluter Kompaktheit des Küchenblocks ein eigenständiger Raum. Die Arbeitsplatte ist mit 72 Zentimetern extratief, für mehr Abstellfläche. Zwei Induktionsplatten werden durch eine zusätzliche, im Schrank verstaute, ergänzt.
Küche: Tingsryd, Ikea; Indianerköpfige Salz- und Pfefferstreuer: „Mohawk“, Jonathan Adler
Küche: Tingsryd, Ikea; Indianerköpfige Salz- und Pfefferstreuer: „Mohawk“, Jonathan Adler
Vor dem Einzug bekamen die Mieter einen Fragebogen ausgehändigt und konnten ankreuzen, was sie haben wollten: Spülmaschine, Fernseher… Dieses Minimodell von Bomann bekam der Biologe, der für zwei Jahre an der Charité arbeitet und hier lebt, unter den Spülkasten gesetzt – und freut sich, dass er nicht abzuwaschen braucht. „Ich habe dieses Modell vor allem deshalb genommen, weil es die Bedienleiste oben hat, das ist viel benutzerfreundlicher!“, sagt Schneuer, die ihre Apartments gerne jahresweise vermietet.
Tischgeschirrspüler: TSG 707, Bomann
Tischgeschirrspüler: TSG 707, Bomann
Bevor es ans Einrichten ging, lud Bettina Schneuer einen Haufen designaffiner Freundinnen auf die Baustelle ein. Dort wurde über Farben, Möbel und den richtigen Ort für die Picture Wall und Möbel gesprochen. Die Lichtkünstlerin Susanne Rottenbacher, die mit ihrem Mann zusammen die Sanierung der halböffentlichen Bereiche des Hauses steuerte, hatte die Idee, die Kunstwerke, Ebay- und Marktfunde als Gruppe über das Sofa-Bett zu hängen.
Bett: Ikea
Bett: Ikea
Inspirationen, mal abgesehen vom regen Austausch mit anderen Menschen, holt sich Schneuer aus Büchern, aus der AD und auch bei Houzz. „Ich denke, eure Plattform ist da wirklich nah dran an wichtigen Themen. Ich finde es super, wie viele Tiny-Projekte mit guten Ideen man da findet.“
Finden Sie Interior Designer und Raumaustatter in Ihrer Nähe
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„Die tapiovaara-artigen Stühle sind aus einer Haushaltsauflösung in Hamburg, waren vorher weiß und schrammelig und wurden neu weiß lackiert“, sagt Schneuer.
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Kommen wir zu einem Highlight des Mikroapartments. Was Bettina Schneuers Herz neben der guten Lage mitten in Charlottenburg, zwischen Kurfürstendamm und Savignyplatz, ganz besonders für die Immobilie erwärmte, waren die großen Atelierfenster zum Innenhof, die beide Wohnungen haben. Sie sind, wenn man mit Gropius geht, entscheidend für Großzügigkeit und ein Gefühl von Weite auf minimaler Grundrissfläche. Selbst unrenoviert ließen sie ihr Potential erahnen. Vom Erdgeschoss blickt man auf den Hofgarten, der Mitte Mai neu angelegt wird. „2004 hatte es einen Studentenwettbewerb zur Bepflanzung und Neugestaltung gegeben, dessen Siegerentwurf nun nach der Hoffassadensanierung aufgefrischt wird“, so Schneuer.
Im großen Raum wurden die Fenster überarbeitet, das Bad bekam ein neues, da das alte wegen des neuen Spülkastens zu lang war.
Dem Bett-Sofa gegenüber steht heute eine neu aufgeständerte Wand mit zwei gleichgroßen, bündig eingesetzten Tapetentüren. „Vorher waren da unterschiedlich große Türen drin. Das ist etwas, was ich wirklich hasse“, sagt Schneuer. Am Konsoltisch aus Metall und massivem Mangoholz haben zwei Personen Platz…
Konsoltisch: „Metropolis“, Maisons du Monde
Konsoltisch: „Metropolis“, Maisons du Monde
…besonders, wenn man ihn mit der Stirnseite an die Wand stellt und so als Essplatz benutzt. Das Schrankwandsystem dahinter stammt von Ikea und ist eigentlich für Schlafzimmer designt. Schneuer hat daraus, nach Readymade-Manier, dezenten Multifunktionsstauraum gemacht. „Die quasi auf den Kopf gestellte und aufgebockte Schrankreihe war eine der wichtigsten Ideen: für Bodenfreiheit, die eine gewisse Weite suggeriert.“
Schranksystem: „Pax“, 35 Zentimeter tief, Ikea
Schranksystem: „Pax“, 35 Zentimeter tief, Ikea
Die Lederschlaufen fand Bettina Schneuer auf Etsy.
Sorgsam ausgewählte Accessoires machen den Raum wohnlich. Schneuer, die von sich selbst sagt, sie habe eine gewisse Vasensammelproblematik, bereitete die Auslese daher besonders viel Vergnügen. „Zuhause steht alles voller Vasen. Hier habe ich mich ein wenig zurückgehalten. Aber irgendwann werde ich einen Vintage-Vasenladen haben, das steht fest.“ Die weißen Vasen stammen von ihrer Mutter und einer Kreuzberger Freundin. Die Vintage-Plexiglasregale ersteigerte sie auf Ebay.
Das Fensterthema ist im Hauptraum noch nicht zu Ende dekliniert, auch das kleine Badezimmer hat eins, „was toll ist, weil Bäder mit Tageslicht in Studiowohnungen rar sind“, sagt Schneuer. Vor der Sanierung stand darin eine Eckeinstiegskabine von 70 x 70 Zentimetern – „nur geeignet für Menschen mit Idealmaßen“.
Schneuer ließ über die Raumbreite von 1,40 Metern eine Walk-In-Dusche einbauen und sorgte mit mintfarbenem Glasmosaik für Helligkeit. Außerdem drehte sie die Toilette und setzte sie unter das Fenster. So ist sie nicht länger das Erste, was man beim Betreten des Raumes sieht – ein Punkt, der ihr wichtig war.
Spülkasten: „Omega“, Geberit
Spülkasten: „Omega“, Geberit
Der neue Heizkörper verbraucht mit seinen extrem schlanken Maßen so gut wie keinen Platz.
Waschbecken: Alape; Heizung Koso von Sebastian
Waschbecken: Alape; Heizung Koso von Sebastian
Vor jeder Entscheidung hat sich Bettina Schneuer gefragt, ob sie selbst so wohnen wollen würde.
„Alles fest Ein- und Verbaute ist ebenso hochwertig wie langlebig.
Ich mag keine Billiglösungen, die sind meist das neue teuer. Und ein so kleines Apartment lebt richtig auf durch gutes Material. Dann funktionieren dazu auch Ikea und H&M-Home.“
Sicherlich hatte Bettina Schneuer auch ihre Söhne im Hinterkopf, während sie an der Arbeit war. „Der ältere ist 16, der jüngere 13. In ein paar Jahren werden sie ausziehen wollen“, sagt sie.
Der Ältere interessiere sich eher für Kreuzberg, wo er schon jetzt seine Skaterfreunde im Gleisdreieckpark trifft. „Der Jüngere meldet zur Zeit großes Interesse am oberen Miniapartment an. Er hat schon mit seinem Freund abgemacht, dass sie hier übereinander einziehen und eine Haus-WG starten wollen.“ Stil hätte dieser Schritt allemal.
Weitere Bilder zur EG-Wohnung und alle Bilder der zweiten Wohnung im Obergeschoss
„Alles fest Ein- und Verbaute ist ebenso hochwertig wie langlebig.
Ich mag keine Billiglösungen, die sind meist das neue teuer. Und ein so kleines Apartment lebt richtig auf durch gutes Material. Dann funktionieren dazu auch Ikea und H&M-Home.“
Sicherlich hatte Bettina Schneuer auch ihre Söhne im Hinterkopf, während sie an der Arbeit war. „Der ältere ist 16, der jüngere 13. In ein paar Jahren werden sie ausziehen wollen“, sagt sie.
Der Ältere interessiere sich eher für Kreuzberg, wo er schon jetzt seine Skaterfreunde im Gleisdreieckpark trifft. „Der Jüngere meldet zur Zeit großes Interesse am oberen Miniapartment an. Er hat schon mit seinem Freund abgemacht, dass sie hier übereinander einziehen und eine Haus-WG starten wollen.“ Stil hätte dieser Schritt allemal.
Weitere Bilder zur EG-Wohnung und alle Bilder der zweiten Wohnung im Obergeschoss
Hier wohnt: ein Mieter
Auf: 24 Quadratmetern
In: der Grolmanstraße, Berlin-Charlottenburg
Interior Design: Bettina Schneuer
Nachher-Fotos: Luca Girardini
Zur Gestaltung von Innenräumen fand Bettina Schneuer so nebenbei. Zunächst studierte die gebürtige Hamburgerin Jura, machte ihr erstes Staatsexamen und arbeitete als Assistentin an der Uni. Dann bewarb sie sich an der Henri-Nannen-Schule und ließ sich, prompt angenommen, zur Journalistin ausbilden. „Endlich hatte ich etwas gefunden, was mir Freude machte“, sagt sie, und jener Spaß, jene Freude an der Sache, ist bis heute ein Grundmotiv ihrer Arbeit geblieben. Sie ist, was man neudeutsch einen information sponge nennt: wach und präsent – eine hanseatische Bildungsbürgerin mit Berliner Schnauze, für die Liebe das Bindemittel zwischen Arbeit und professionellem Vergnügen ist. Stichwort: Zuneigung. Zu alter Architektur, zu schönem Design, zu fähigen Menschen.
Plaid auf dem Bett: aus afrikanischer Wolle nach nordafrikanisch-schachbrettartigem Muster von einer verstorbenen alten Dame aus der Nachbarschaft handgestrickt, deren Mann Botschafter in Nordafrika war.