Houzzbesuch: Ein Kokon aus Holz in einem Berliner Industrieloft
Computerbasiertes Entwerfen macht's möglich: In diesem Loft liegt ein Gästezimmer in Tropfenform, zusammengesetzt aus 850 Holzstücken
Wie ein außerirdisches Objekt wölbt sich ein Kokon aus Holz in den weiten Räumen dieses alten Fabriklofts. Zuletzt betrieb auf den 220 Quadratmetern ein KFZ-Mechaniker seine Werkstatt; dann wurde die Remise in einem Hinterhof der Genterstraße in Berlin-Wedding als potentieller Wohnraum entdeckt. Mathis Malchow und Sebastian Gmelin von Designyougo bekamen den Auftrag zum Umbau. Ein Apartment für zwei sollte in den heruntergewirtschafteten, aber doch bezaubernden Räumen entstehen; eine Verwandlung war gefragt. Als erstes machten die Architekten, was sie immer als erstes machen: ein 3-D-Modell.
Auf einen Blick:
Hier wohnen: zwei Personen
Auf: 220 Quadratmetern, in einer Remise im 1. Obergeschoss
In: Berlin-Wedding
Auf einen Blick:
Hier wohnen: zwei Personen
Auf: 220 Quadratmetern, in einer Remise im 1. Obergeschoss
In: Berlin-Wedding
Ohne 3-D-Entwurf wäre die organische Form dieser bewohnbaren Raumskulptur kaum möglich gewesen. Kolossale 850 Stücke wurden auf der Zuschnittmaschine einer Bremer Firma, die normalerweise auf Dachstühle spezialisiert ist, aus Konstruktionsvollholz geschnitten. Nach genauen Berechnungen, versteht sich. Das Programm zur Berechnung der Stückformate und zur Erstellung der Konstruktionspläne schrieben die Architekten selbst.
Ein Berliner Schreiner montierte den Kokon dann, anhand vorgebohrter Dübelpositionen mit Schrauben. Die Oberflächen des Holzkörpers sind mit Hartholzöl behandelt.
Ein Berliner Schreiner montierte den Kokon dann, anhand vorgebohrter Dübelpositionen mit Schrauben. Die Oberflächen des Holzkörpers sind mit Hartholzöl behandelt.
Auf diesem Rendering ist das Gästezimmer von Innen zu sehen. Durch ein Oberlicht dringt etwas Licht in den organisch geformten Raum. Von hier sieht man auch gut, wie sich die Holzwand um vorhandene Ziegelsäulen windet und nahtlos an die Wände anschließt. „Wir haben den alten Backstein, der ganz rau ist, bewusst mit sehr kontrastreichen Materialien kombiniert“, sagt Malchow.
Bevor Malchow und Gmelin gestalterisch Hand anlegten, sah das Loft nicht gerade wohnlich aus. Sie entschieden sich, die Backsteinwände freizulegen und zu reinigen: „Die Ziegel waren teilweise verputzt, teilweise nur verschmutzt. Putz und Dreck wurden mit einem Stahlbürstenaufsatz auf der Bohrmaschine abgetragen“, sagt Malchow.
Den vorhandenen Estrich ließen die Architekten per Klindex-Verfahren schleifen und härten. Dabei wird während des Schleifprozesses ein Betonhärter aufgebracht.
Den vorhandenen Estrich ließen die Architekten per Klindex-Verfahren schleifen und härten. Dabei wird während des Schleifprozesses ein Betonhärter aufgebracht.
Die alten Stahlträger der Preußischen Kappendecke ließen die Architekten sandstrahlen und dann mit Brandschutzanstrich lackieren. „Bei Renovierungen wird oft die Großzügigkeit bestehender Räume zerstört. Der Trick ist, die Decke freizuhalten. Je mehr man von ihr sehen kann, desto weiter ist das Raumgefühl“, sagt Sebastian Gmelin.
Hellgraue Trennwände bilden im Eingangsbereich einen starken Materialkontrast zu den rauen Backsteinwänden. „Wir haben bewusst kontrastreich gestaltet“, sagt Malchow. Und Gmelin ergänzt: „Es hat uns bei diesem Projekt große Freude gemacht, wie bereitwillig unsere Ideen von den Bauherren aufgegriffen wurden.“ Die „Eisberge“ am Eingang, also Garderobe und Arbeitszimmer, sind ein Beispiel dafür. Sie wurden ebenso skulptural gestaltet und beleuchtet wie das Gästezimmer.
Alter Klinker erzählt oft die Geschichte seiner Nutzung; und auch diese Säule hat schon so einiges erlebt. Denn in der zweistöckigen Hinterhof-Remise waren über die Jahre viele verschiedene Werk- und Produktionsstätten angesiedelt. Heute definiert die Stütze den Übergang zum Essbereich und der Küche.
Aus der Küche hat man diesen Weitblick, inklusive kunstvoller Raumskulptur. Wer würde darin ein Gästezimmer vermuten?
Die Einbauelemente von Leicht Küchen mit ihren grauen Fronten sind farblich auf den Betonestrich abgestimmt und fügen sich dezent ins Raumkonzept.
Die Einbauelemente von Leicht Küchen mit ihren grauen Fronten sind farblich auf den Betonestrich abgestimmt und fügen sich dezent ins Raumkonzept.
Vom Essbereich her gewinnt man diesen Einblick ins Schlafzimmer und das dahinter liegende Bad. Die schwarze Kante des Bettes ragt, kaum merklich, ins Bild, dahinter deuten sich der doppelte Waschtisch und eine luxuriöse Wanne an.
Das Bad, am äußersten Ende der Wohnung gelegen, ist mit einer über Stufen begehbaren Wanne ausgestattet. Kosmetika und Badeutensilien können im integrierten Wandregal deponiert werden. Seine Ruhe hat man, wenn die großen Schiebetüren geschlossen sind.
Wände: Tadelakt (marokkanischer Kalkputz); Wanne: Wedi, mit Fliesen von Mosa; Armaturen: Grohe; Waschtisch: Ideal Standard
Wände: Tadelakt (marokkanischer Kalkputz); Wanne: Wedi, mit Fliesen von Mosa; Armaturen: Grohe; Waschtisch: Ideal Standard
Gleich neben der großzügigen Wanne, die man über Freistufen betritt, wie Kleopatra ihr Milchbad, steht das Bett, eine Tischlerarbeit des Berliners Arne Joost.
Computerbasiertes Entwerfen hat hier und in der ganzen Wohnung zu einer Realität mit, sagen wir mal, spielerischen Elementen geführt, die ungewöhnliche und dadurch besondere Räume entstehen lassen. Das Stichwort könnte Verwandlung lauten: Aus Kokons schlüpfen ja bekanntlich Schmetterlinge.
Computerbasiertes Entwerfen hat hier und in der ganzen Wohnung zu einer Realität mit, sagen wir mal, spielerischen Elementen geführt, die ungewöhnliche und dadurch besondere Räume entstehen lassen. Das Stichwort könnte Verwandlung lauten: Aus Kokons schlüpfen ja bekanntlich Schmetterlinge.
In unserer Rubrik „Houzzbesuch“ stellen wir spannende Projekte der Houzz-Experten vor, aber auch originelle Wohnungen von Privatleuten. Ihr Projekt oder Ihr Zuhause passt perfekt? Dann schreiben Sie uns – und schicken Sie am besten ein paar Fotos mit!
Designyougo ist ein Kunstwort, dass sich aus der englischen Redewendung „here you go“ ableitet – und gleichzeitig als Motto dient. Die beiden Chefarchitekten Sebastian Gmelin und Mathis Malchow wurden beruflich stark von England geprägt, zusammengerechnet haben sie zwölf Jahre im Büro von Sir Norman Foster gearbeitet. „Es geht schnell und freundlich bei uns zu, man soll nicht lange warten, und Service wird groß geschrieben“, sagt Mathis Malchow. Computerbasiertes Entwerfen ist dabei Mittel der Wahl: „Wir erstellen immer zuerst ein 3-D-Modell und entwickeln daraus Visualisierungen. So ist jeder unserer Architekten gezwungen, den Raum zu verstehen, sich über Licht, Belichtung und Materialien Gedanken zu machen“, sagt Malchow.
In diesem Loft zum Beispiel gibt es nur auf einer Seite Fenster. Um mehr Licht in die Räume zu bekommen, bauten die Architekten Oberlichter ein, auch im kokonförmigen Gästeraum, dessen einziges Fenster sich in der Decke befindet.
Bunte Sessel: Pumpkin, Ligne Roset