Houzzbesuch: Das Rauchkuchlhaus am Schliersee in Oberbayern
Regionaltypisch und doch modern: Inspiriert von traditionellen Bauernhäusern enstand hier eine moderne Neuinterpretation – in Holz und Beton
In Schliersee gehen die Dinge einen gemächlichen Gang. Die Architektur ist traditionell, viele alte Bauernhäuser stehen am Ort. Als die Architekten des Büros vonMeierMohr und die Bauherren einander das erste Mal trafen, begingen sie gemeinsam das Grundstück direkt am See – und waren gleich fasziniert von den Bootshäusern, die über dem Wasser zu schweben schienen. Da ihr Grundstück hin und wieder überflutet ist, und wegen des sumpfigen, nicht tragfähigen Bodens, drängte sich eine aufgeständerte Plattform als Grundkonzept des zukünftigen Baus nahezu auf. Gleichzeitig inspirierte auch die Bauweise der Bauernhäuser mit ihren typischen „Rauchkuchln“ – Rauchküchen, die als Steinkamine in eine Architektur aus Holz eingefügt sind. Dieses Prinzip wurde zum zweiten Gestaltungsmerkmal – nur statt aus Stein aus Sichtbeton.
Die Fassade besteht aus Lärchenholz. Das gesamte Gebäude ist, bis auf zwei Versorgungsschächte im Inneren, in Holzständerbauweise errichtet. Während die Verkleidung im Obergeschoss vertikal verläuft, wurden die großen Schiebetüren im Erdgeschoss horizontal beplankt: eine subtile Abwechslung fürs Auge.
Ganz, wie es in den traditionellen Häusern rundum auch der Fall ist, bildet die Küche das Herzstück des Hauses. „Bei meinen Eltern damals hat man die Frau in eine kleine Küche gestellt, und das war’s. Wegen der Gerüche oder was auch immer. Das löst sich heutzutage wieder total auf. In unserem Haus kann man um die Küche herum sitzen, oder auch nicht. Sie ist das Herzstück“, sagte Barbara Maurer darüber vor ihrem Tod in einer ARD-Dokumentation. Das Rauchkuchlhaus war der Ruheort der weitgereisten Modefotografin. Ihr letztes Projekt war ein Fotoband über den „Kraftort Alpen” der nach ihrem Tod erschien (Herbig Verlag).
Der hier so spiegelnde Fußboden besteht aus Beton und wird über Erdwärme beheizt. Denn die 18 Pfähle, auf denen das Haus gründet, beherbergen Sonden, über die Wärme ins Hausinnere transportiert wird. Um die technischen Details kümmerte sich der Hausherr, Robert Weber, der als Fahrzeugingenieur alternative Antriebswege erforscht.
Sitzgruppe: Tulip Stuhl und Tulip Tisch von Eero Saarinen; Holzstühle: „Diz Chair“, Sergio Rodrigues für Lin Brasil
Der hier so spiegelnde Fußboden besteht aus Beton und wird über Erdwärme beheizt. Denn die 18 Pfähle, auf denen das Haus gründet, beherbergen Sonden, über die Wärme ins Hausinnere transportiert wird. Um die technischen Details kümmerte sich der Hausherr, Robert Weber, der als Fahrzeugingenieur alternative Antriebswege erforscht.
Sitzgruppe: Tulip Stuhl und Tulip Tisch von Eero Saarinen; Holzstühle: „Diz Chair“, Sergio Rodrigues für Lin Brasil
„Zwei Betonpylonen bilden die Anker des Hauses“, sagt Stefan Mohr. Nach der Pfahlgründung waren sie das erste, was auf der Baustelle zu sehen war. Die Nachbarn munkelten, man baue hier eine grässliche Garage – zugegebenermaßen war in dieser Bauphase Vorstellungskraft nötig. In den zwei in Ortbeton gegossenen Schächten sind alle Funktionen des Hauses untergebracht: Kochen, Wasser und Heizung.
Das Terrassendeck umgibt das Haus auf allen Seiten und wird vor allem in den Sommermonaten intensiv genutzt. Barbara Maurer beschrieb es einst so: „In den Sommermonaten haben wir die großen Fenster immer geöffnet und es ist schön, wie das Leben von Innen nach Außen dringt.“ Im Winter wiederum zündet man oft den Kamin an. Gerade dann macht das Rauchkuchlhaus seinem Namem alle Ehre.
Die Treppe führt um den Küchen-Versorgungskern herum ins Obergeschoss, in dem sich privatere Räume, wie die Schlafzimmer und das einstige Atelier von Barbara Maurer, befinden.
Rechts und links flankiert von Einbauschränken aus Lärche, gefertigt von der Schreinerei Leutenbauer aus Weßling-Hochstadt. geht der Blick in den Flur. Neben einem Schlaf- und einem Gästezimmer ist hier das Arbeitszimmer des Hausherren und das Atelier der Hausherrin untergebracht. Es liegt am anderen Ende des Ganges.
Oben im Atelier gibt es auch einen Kamin. Die eiserne Tür fertigte die Schlosserei Rudolf Scheur an. Rechts am Betonschacht lehnt eine Fotografie, die die Hausherrin aufnahm. Im gesamten Obergeschoss wurden 3,5 Zentimeter dicke Douglasiendielen verlegt, die zunächst gelaugt und dann geölt wurden.
Beim Blick von der Dusche oder Wanne aus nach oben sieht man das Oberlicht.
Sonnendeck mit Floß-Charakter: So nah am See gelegen, bezieht sich die Architektur folgerichtig auf Bootshütten.
Schlichtheit siegt. Ähnlich wie bei den alten Bauernhäusern mit ihren Rauchkuchln („Rauchküchen“) gruppiert sich im Erdgeschoss alles um die Kochstelle. Im Obergeschoss befinden sich die Ruhe- und Arbeitsräume. Ganz ohne Rauchentwicklung ist hier also ein Update tradierter Formen entstanden, das den Besitzern entspricht, die modern und heimatverbunden zugleich sind.
Houzzbesuche aus aller Welt
Houzzbesuche aus aller Welt
Gebaut für: Modefotografin Barbara Maurer (mittlerweile verstorben) und Fahrzeugingenieur Robert Weber
Auf: 200 Quadratmetern
In: Schliersee
Experte: Stefan Mohr, vonMeierMohr Architekten
Fotos: Barbara Maurer und Johannes Kottjé
Wie ein Bootshaus schwebt das auf 18 Pfählen gegründete Gebäude über dem Boden. „Als wir das Grundstück zum ersten Mal begingen, sahen wir überall in der Umgebung diese kleinen Bootshütten, die auf dem Wasser zu schweben scheinen“, sagt Architekt Stefan Mohr aus dem Büro vonMeierMohr Architekten. Da das Grundstück hin und wiederüberflutet wird, war die Gestaltungsidee auch funktional angezeigt.