Buchtipp: Zeichnen, mit den Händen, und bunt
Dieses Buch ist ein Plädoyer für die Architekturzeichnung von Hand, die alles sein kann: schnell hingeworfene Skizze wie kunstvolles Gemälde
Gelb. Das ist die Farbe der Bildung, nicht? Spätestens seit 1970, denn da erschien das erste Heftchen der Reclam-Universalbibliothek mit gelbem Umschlag. Wenn nun die Dom Publishers ein Buch zur Zeichenlehre herausgeben, das ein reclamartig schlichtes, gelbes Cover hat, könnte man von einem Zufall ausgehen, sollte man aber nicht. Hier geht es um Bildung, um Kulturgeschichte, um die schönen Künste. Genauer gesagt um eine ganz bestimmte: die Kunst der Handzeichnung.
Autorin Natascha Meuser hat auf 264 Seiten mit über 400 Abbildungen ein Plädoyer fürs Handgemachte geschrieben. Sie ist mit ihrer Haltung nicht allein. Gibt es inzwischen eigentlich ein Wort für dieses Phänomen? Diese Rückkehr zur Langsamkeit, zum Händewerk? Vielleicht gibt es eher einen Satz: „Ich bin dann mal analog.“ Ihn sollen inzwischen auch immer mehr Teenager sagen. Wenn also schon die Digital Natives des Datenflusses müde werden und sich nach etwas zum Anfassen sehnen, wie werden sich dann erst junge Architekturstudenten (die ja auch Natives sind) und Architekten (die nicht unbedingt welche sind) über dieses Buch freuen?
Autorin Natascha Meuser hat auf 264 Seiten mit über 400 Abbildungen ein Plädoyer fürs Handgemachte geschrieben. Sie ist mit ihrer Haltung nicht allein. Gibt es inzwischen eigentlich ein Wort für dieses Phänomen? Diese Rückkehr zur Langsamkeit, zum Händewerk? Vielleicht gibt es eher einen Satz: „Ich bin dann mal analog.“ Ihn sollen inzwischen auch immer mehr Teenager sagen. Wenn also schon die Digital Natives des Datenflusses müde werden und sich nach etwas zum Anfassen sehnen, wie werden sich dann erst junge Architekturstudenten (die ja auch Natives sind) und Architekten (die nicht unbedingt welche sind) über dieses Buch freuen?
Was Jakow Georgijewitsch Tschernichow hier in den dreißiger Jahren zeichnete, ist so nicht realisierbar und hat doch die Architektur stark beeinflusst. Als Architekturfantasie bezeichnete er die Gouache auf gelber Pappe, die zwischen 1929-1933 entstand.„Ansicht eines Industriegebiets, von einer Brücke aus gesehen“.
Der russische Konstruktivismus mit seinen klaren Geometrien wurde vor allem aus der Zeichnung entwickelt, was sich allein schon daran erkennen lässt, dass ein Maler, Kasimir Malewitsch, als wichtigster Vertreter der Strömung gilt.
Der russische Konstruktivismus mit seinen klaren Geometrien wurde vor allem aus der Zeichnung entwickelt, was sich allein schon daran erkennen lässt, dass ein Maler, Kasimir Malewitsch, als wichtigster Vertreter der Strömung gilt.
Zur selben Zeit, in der Tschernichow konstruktivistisch fantasierte, dachte sich der Architekturstudent Hans Simon diesen Kinosaal aus, der dem Art déco zugeordnet werden kann. Unter Hans Poelzig entwarf er das Gebäude und brachte die Idee 1931 zu Papier, besser gesagt: mit Kreide auf den Karton.
Mehr: Was ist eigentlich… Art déco? >>>
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Im zweiten Teil des Buches geht es um das Freihandzeichnen. Anhand von zehn Übungen gibt Meuser Themen vor, mit denen man sich der Kunst des Zeichnens annähern kann. Von Punkt und Linie über Geometrie und Raum bis hin zur Zwei-Minuten-Skizze. Die Abbildung zeigt Übung sechs: Mensch und Raum.
Am Ende des zweiten Abschnittes werden die Entwurfszeichnungen zeitgenössischer Architekten vorgestellt, auch das ein wahres Fest für die Augen. Und eine Beruhigung für die Nerven, denn es gibt sie glücklicherweise noch, die Architekten, die sich zeichnend einen Entwurf erarbeiten. Man weiß es von Zaha Hadid, deren dekonstruktivistische Tableaus hier natürlich vertreten sind, man erfährt es, wenn man’s noch nicht weiß, von Zvi Hecker, Massimiliano und Doriana Fuksas und Christoph Sattler.
Hier ist eine Wettbewerbszeichnung von Paul Böhm abgebildet, die er 2003 zum Entwurf des Clemens-Sels-Museums in Neuss anfertigte. Kräftige Rötelstriche kombiniert mit Kohle.
Hier ist eine Wettbewerbszeichnung von Paul Böhm abgebildet, die er 2003 zum Entwurf des Clemens-Sels-Museums in Neuss anfertigte. Kräftige Rötelstriche kombiniert mit Kohle.
In Teil drei und vier geht es dann ans Eingemachte. An dritter Stelle werden die Standards der Darstellung technischer Zeichnungen vorgestellt.
Man hört hier vom richtigen Werkzeug (analoge wie Winkeldreiecke und Stifte, digitale wie Computer und CAD-Programme), den DIN-Normen und den korrekten Schraffuren für bestimmte Materialien.
Und im vierten Teil lernt man, wie oben zu sehen, Schritt für Schritt, wie das geht mit dem perspektivischen Zeichnen. „Meist sind es Kunsthistoriker“, schreibt Meuser, „die sich mit dem Themengebiet der Perspektive auseinandersetzten; schließlich ist die bildende Kunst seit der Renaissance immer auch eine Kunst der Perspektive.“ Umso reizvoller, diese revolutionäre Darstellungsform, die dreidimensionale Räume auf einer Fläche abbildet, zu verstehen und beherrschen zu lernen – mit Zentral-, Zwei-Punkt- oder gar Drei-Punkt-Perspektive. Nach der Durchsicht will man nur noch eins: den Computer ausschalten, den Bleistift spitzen und loslegen.
Man hört hier vom richtigen Werkzeug (analoge wie Winkeldreiecke und Stifte, digitale wie Computer und CAD-Programme), den DIN-Normen und den korrekten Schraffuren für bestimmte Materialien.
Und im vierten Teil lernt man, wie oben zu sehen, Schritt für Schritt, wie das geht mit dem perspektivischen Zeichnen. „Meist sind es Kunsthistoriker“, schreibt Meuser, „die sich mit dem Themengebiet der Perspektive auseinandersetzten; schließlich ist die bildende Kunst seit der Renaissance immer auch eine Kunst der Perspektive.“ Umso reizvoller, diese revolutionäre Darstellungsform, die dreidimensionale Räume auf einer Fläche abbildet, zu verstehen und beherrschen zu lernen – mit Zentral-, Zwei-Punkt- oder gar Drei-Punkt-Perspektive. Nach der Durchsicht will man nur noch eins: den Computer ausschalten, den Bleistift spitzen und loslegen.
Das Einzigartige an der Zeichnung ist ja, dass sie Utopien veranschaulichen kann, die der Revolutions-Architekten ebenso wie die der Moderne. Und sie lässt dabei immer Platz für Interpretation. Der Betrachter muss die Leerstellen füllen, man könnte auch sagen: darf die Leerstellen füllen. Ein Spaß, den perfekt computergerenderte Bilder nicht erlauben.